Deutsche Sprache - schwere Sprach!

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Es geht beim puren sich sprachlich verstehen nicht nur um die Konstellation Ossis vs. Wessis. Ich habe 2 grosse Kinder, Juliane (1973 geb.) und Marc (1979 geb.). Manchmal kommt es mir vor, als hätten wir als Mitglieder verschiedener Generationen spezielle Sprachbarrieren.

Meine berlinernden Eltern redeten viel in Sprüchen. Heute scheint das verpönt, "mach jetzt blos keinen Spruch!". Nie würde ich es wagen, zu meinen Kindern zu sagen, "weisst du noch, wie du damals ...". Um nicht zu hören: "du redest wie Oma und Opa!".

Bücherschrank meiner Eltern (1964)

Er war schwach bestückt. Überreichungen von Vaters Betrieb. Galina Nikolajewas "Schlacht unterwegs" (1962 verfilmt). Überwindung des Führerkults in der Sowjetunion bis runter auf Betriebsebene. Ein ehrlicher Perfektionist von Ingenieur kämpft, "typisch Deutsch", seinen einsamen Kampf gegen fliegende Ausgleichsgewichte von fehlerhaften Traktoren. Schulstoff war es nicht. Hab das Buch mit einem Gefühl der besonderen Zeit gelesen. Chruschtschow hatte auf einem Parteitag der Partei Stalins eine offene Abrechnung am grossen Führer gewagt. Es war in der DDR nicht zu verheimlichen. Von da ab war der sog. "Personenkult" zu tadeln und die Zeit des "Tauwetters" begann. Die Ossis hatten ihre Chance.

Meine Chance bestand in einer Schülerbuch-Reihe (gebunden, preiswerter als heutzutage Taschenbücher), Klassiker deutscher Zunge, darunter Eichendorff. Las seinen "Taugenichts" begeistert. Das war auch kein Schulstoff, war wie Muttermilch aufgesogene Sprache.

Vaterländisches Deklamieren (1965)

Trotzdem war Deutsch nicht mein Fach und Lehrer Frielinghaus hielt nicht viel auf mich - bis 1965, im 1.Jahr der 4-jährigen Abiturzeit, ein sehr vaterländisches Gedicht zu rezitieren war. Weil ich die Leier der Klassenkameraden nicht mehr aushalten konnte, nahm ichs mir vor und es funkte, besonders an dieser Stelle:

Und putze deinem Herrn die Schuh
Und trage deinem Hern dein Weib
Und deine Tochter zu;
Und trage Band und Stern!
Johann Heinrich Voss  (geschrieben 1773)

Das ging allen so durch Mark und Bein, dass ich von da an beim Lehrer eine Hausnummer hatte und das Klassengespräch noch längere Zeit davon Notiz nahm. Den vollständigen Text fand ich erst in Bd. 3.-4. "Sämtliche Gedichte" von Leipzig 1837 in der Niedersächsischen Landesbibliothek. Beim heutigen Lesen erschrecke ich. Die Genossen hatten uns Schülern mitfühlend ein paar Strophen vorbehalten. Meine Abschrift bringt das Gedicht erstmals ins WWW !!!

Eine Deklamation brachte mir eine verbesserte Stellung zunächst in der Klassenhierarchie. Von da ab musste ich diversen Kameraden im Lesen mit verteilten Rollen bei ihrem obligatorischen Deutsch-Vortrag helfen. Ich wurde "erwählt". Das Deklamieren bekam erst 37 Jahre später für mich einen negativen Beigeschmack. Im Moa-Theater Hannover galt es solche Anwendung auf Shakespeare-Texte als verpönt. Von den neuen Leiden des Shakespeare-Eleven später.

"Herzklopfen kostenlos" - DDR sucht Superstar (1967)

Noch heute kann ich keinen längeren Witz bis zu Ende erzählen und auf den Punkt bringen. Als wiedermal die Talentsuche durch die Schulen schwappte, wurde ich mitgeschleppt und als Erzähltalent "entdeckt", von Heinz Quermann, dem Showmaker der DDR, der unter obigem Motto durchs Land tourte, als hätte er nicht eh genug zu tun. Der war dort viel sympathischer als in seinen Opa-haften TV-Conferencen. Ob Schul-Stadt-DDR-Ausscheid, ich flog danach nicht mehr raus, zum blassen Neid von Mitschülern. Ich avancierte zum Schulstar, gerierte mich als Jung-Dichter. Angetan mit einer sehr altmodischen schwarzen Lederjacke aus wer-weiss-was für Oma-Beständen, sowas hatte auch nicht jeder.

Beim Zwischenausscheid bestätigte mir eine Jurorin-Deutschlehrerin einen bemerkenswerten Wortgebrauch, des Diese.
"Diese (Leute) aber waren nicht mehr dieselben wie vorher". Ah, da war er also, der Wiederklang des Gelesenen! Der spätere Fabulierer, der nicht aufhört zu spinnen, der erst coram publico warmläuft (auch im Theater, s.u.). Der, modern ausgedrückt, "Selbstdarsteller", der "Gockel" - wie mein Spross später sagen wird. Das ironische "Diese" erheitert weiterhin gute Bekannte, welche ihren Plauderer kennen. Als Situationsplauderer anerkannt, dem die unmöglichsten Dinge wieder einfallen. Vom Hölzchen zum Stöckchen - aber gespickt mit, teils skurrilen Beobachtungen. Für kritische Söhne dagegen nichts wie "kauziges" Gebaren.


Annemarie Brodhagen
Ein fast gelungenes Casting als Programm-Ansager bei Annemarie Brodhagen in den Siebziegern, im DFF, dem Deutschen Fernsehfunk. Man denkt ja immer, dass sie einen mögen. Herbert Köfer, "Volkes Schauspieler", war umwerfend nett zum Nobody als Sitznachbar beim Abschminken. Bei diesem "Versuch" blieb es für lange Zeit.
Herbert Köfer

Wer zuviel liest, schreibt zu wenig (1969-1989)

Dazwischen liegen mühsamste Schreiberfahrungen. Eine locker-leicht geschriebene, weil streng "log(ist)isch" codierte Mathematik-Diplomarbeit und 3 quälerische Dissertationsversuche:

(1) Ein nie zu Papier gebrachter Philosophie-Versuch in einer Philosophie feindlichen ostdeutschen Universität, Greifswald. Das Thema ist immer noch interessant: Marx, ein Shakespeare-Kenner per excellence, benutzte zur Beschreibung seiner im "KAPITAL" impliziten Soziologie den Theaterterminus Charaktermasken, sagte, er betrachte die sozialen Akteure (bei Hegel z.B. Herr und Knecht) nur als Personifikationen ökonomischer Kategorien. Fleischgewordene Prinzipien also? Rückkehr zur Theologie durch den nach Hegel und Feuerbach bekanntesten deutschen Religionskritiker. Das Mirakulum wurde durch den Ossi-Katheder-Marxismus einfach übergangen. Marx sagte immer, er sei sicher kein Marxist. Die Nach-Wendische Zeit stellt heute die Aufgabe, "Marx selbst zu befreien", nicht nur von seinem Sockel, auch von seinen Irrtümern, um seine einmaligen Erkenntnisse erst herauszufinden. Das 1973 für mich viel zu schwere Thema bearbeiten heute die modernen Vertreter der politischen Philosophie, wie z.B.der Kroate Zizek (s. "Die Tücke des Subjektes") und mein kanadischer Freund Warren Breckmann.

(2) Eine über Grundlagen der computerautomatisierten Digitalbild-Verarbeitung zu Forschungszwecken, v.a. der Geologie. Ich schrieb 1 und eine halbe neue Textversion, dann fiel ich beim Doktorvater in Ungnade und sah zum 1.Mal ein DDR-Arbeitsamt von innen (trifft auf die Riesenmasse der Ossis nicht zu!!!). Diese Texte habe ich unter "Umnachtete Wissenschaft" aufbereitet. Umnachtet ging es damals, 1985, zu. Ich befand mich ganze Tage in meinem "Labor" - ein PC, eine Spezialkarte zur Bildaufnahme, ein "Faustkeil" von Kamera - und suchte nach der wissenschaftlichen Erleuchtung. Böttcher versprach Gold zu machen. Ich kam später in der westlichen freien Wirtschaft auch in diese Situation. Hier handelte es sich um selbstgemachten Druck: "Etwas Grosses schaffen". Das lag wohl auch an meinem Vorbild, Prof. V.Kovalevski (Ukraine), der in Berlin in den 90igern am sog. ZKI lehrte (zwar hinterm ZK-Gebäude gelegen, aber Akademie bitte schön). Wenn überhaupt, war er mein einziger ganz persönlicher Lehrmeister.

(3) Nach der "Wende" promovierte ich 1995 an der Universität Bielefeld/Westfalen als Dr.Ing Informatik auf dem Gebiet der computergestützten Sprachverarbeitung.

In all den Jahren habe ich Bücher gefressen, aber wie ein Buchrüde. Vaters nur 3 Buchrücken sind Schuld. Ich lieh immer viel mehr Bücher aus, als ich lesen konnte. Als ich 1973 an der Universität Greifswald fast aus der Partei flog, haben Leute meine Ausleihzettel "gefressen" - ich hatte Zugang zu den "Giftschränken der Westliteratur": Sartre, Che, die "üblichen Verdächtigen". Fehlte nur Heidegger.

Muss ein Sprecher auch Schauspielern? (2002)

Erst in Hannover begann ich wieder, etwas mit meiner Sprechstimme zu machen, in einem bemerkenswerten Amateur-Theater, Moa genannt:

Spielte als Anfänger die heikle Rolle des Bann-sprechenden Fürsten Escalus in "Romeo und Julia". Manchmal zitterten die Hände und eine Unruhe wich nicht aus Körper und Stimme. Wenigstens als Sprecher
  • Prolog aus "Romeo und Julia" (MP3, 93 KB)
  • Epilog (MP3, 243 KB)

  • Wilhelm Hauff
    überzeugte ich meine Mitstreiter und noch einen guten Zuhörer - des kleinen Mucks grossen Sohn. Sein Vater, im bürgerlichen Leben Herr Schmidt (s. die Würdigung in der Berliner Zeitung vom 8.4.1995), hatte 1953 in Wolfgang Staudtes gleichnamigen DEFA-Film den Araberbub aus Wilhelm Hauffs Märchen verkörpert. Hauff schrieb auch "Zwerg Nase", "Kalif Storch", das "kalte Herz". Unter den vielen filmischen Märchengaben für uns Ossi-Kinder war der Film das Sahnestück, ein Kinder-"Hollywood behind the Wall", auf deren westlicher Seite Herr Schmidt nichts davon mitbekam. Der Film, dessen Hauffsches "Skript" der eigene Vater aufgepeppt hatte,

    ist in Wessis Kino niemals gezeigt worden !!!

     
    Die Verfilmung von Hauffs "Wirtshaus im Spessart" mit Lilo Pulver sah ich dagegen in meinem alljährlich geliebten Kinderferienlager, Lagerleiter war mein Vater. Kann es sein, dass die Genossen zumindest kinderlieb waren?
    Prof. Schmidt lehrt heute an Hannovers Medizinischer Hochschule und wirbt für die Beachtung eines arabischen (aha) Hygiene-Usus der täglichen Nasenspülung mit Salzwasser aus der Nasenkanne. Als er 2004 Moas Inszenierung von Shakespeares "Falstaff" im Welfengarten besuchte, im Barockschloss-Ambiente der Universität der EXPO-Stadt, war ich stolz und wäre am liebsten nochmal auf die Bühne gesprungen:

    "seht her, der kleine Muck ist hier! Ein Stück deutsche Filmgeschichte weilt unter uns !!!"

    Es gibt wieder Gelegenheit - 2005 bei Shakespeares "Sturm" erwarte ich ihn und den kleinen Muck des kleinen Mucks. Junior bietet ein sehr lebendiges Abbild des deutsche Filmgeschichte schreibenden Mohrenkinds. Er studiert Komposition an Hannovers Musikschule und ist ein Glied der Hannöverschen Metal-Band "Winterdome". Sie hat sich das Fantasy-Stück "Weltendämmerung" erdacht und die entsprechend heftigen, kratzhalsig gesungenen Tonstücke und Gigs produziert. Muck II hat sich des Fürsten mit der seltsam anteilnehmungsvollen Stimme aus "Romeo und Julia" entsonnen und darauf verzichtet, die aus Winterdomes Textfabrik entstandenen Erzähltexte selbst aufzusagen. Eine Textprobe (Werbung für das Album! "Is coming!") über das kriegerische
     

    "Volk der Elasaj" (MP3, 489 KB) mit athmosphärischem Background von Sebastian Schmidt.
     

    Meine Vorfreude richtet sich auf die Eigenerfahrung mit Life-Konzerten, dem dann synchron zu vollziehenden Hineinsprechen in die Athmospheren.

    Die Deutschen haben Märchen! Nelson Mandela auch und was für welche! Beim Lesen in "Meine afrikanischen Lieblingsmärchen" höre ich dank Muck II Athmospheren der Savanne rauschen. Tiere sind die Stars. Ich habe 6 Märchen für meine 7 jährige Nichte Vivien aufgesprochen. Diese Entdeckung verdanke ich Dorothea (Bild rechts aussen) und ihrer 11-jährigen Tochter Liviana. Hier wenigstens dies:
  • "Wie die Katze ins Haus kam" (MP3, 425 KB)
  • Kamyo vom Fluss (MP3, 823 KB)
  • Deutsch lernen - aus einem Buch von Dieter Bohlen?

    Vor 2 Jahren begann Dieter Bohlen seine Image-Aufbesserungskampagne, wobei besonders die Talkrunden bei Johannes Baptist Kerner sichtbar machten, dass ein Märtyrerkurs des "verkannten, zu Unrecht öffentlich geprügelten Schwerenöters" funktionieren könnte. Ein wenig kam mir der Kurs vertraut vor, manchmal bleibt dem lauten Selbstdarsteller eben genau dieser eine Schmusekurs. Dann kam das Buch und es begann das Naserümpfen. Ein Kultursender brachte ein Interview mit einem Medien-gewitzten FH-Professur (eine neue FH im ehemaligen ostdeutschen Braunkohlerevier Senftenberg). Bohlen hatte ihn in einer Talk-Runde angefragt: "Kann ich bei Dir promovieren?". Ein weiterer Schritt auf Dieters Kurs - und er hat es ja jetzt auch geschafft. Aber nicht nur das.
    Zwar einen Link zu seinem Buch "Nichts als die Wahrheit" erspare ich mir, kaufte es, immer noch skeptisch, auf dem Flohmarkt. Besagter FH-Mann verstärkte eine Impression aus den Kerner-Gesprächen, einen Bericht Bohlens über seine Hilfe für Roy Black. Im Buch beschreiben Bohlen und Ghostwriterin einfühlsam Roy Blacks menschlich-allzumenschliches Problem, den:
    "Roy-Black-Komplex" (MP3, 361 KB).

    Runde gedreht

    Hier schliesst sich der Kreis. Wer immer noch eine Erklärung für soviel Exhibitionismus auf Webseiten sucht:
    ich bekenne, von Roy Blacks Krankheit befallen zu sein. Und mein grösstes Outing steht noch bevor. Ich schwöre es beizeiten genau hier zu vollziehen - auf diesen Seiten!


    Bernd Seestaedt
    Last modified: Tue Feb 15 22:35:51 CET 2005