"Was treibt dich nur immer wieder ... zur Philosophie?"
Wer damit anfängt, kommt davon nicht mehr los. Erbauliche Literatur zur Kerzenstunde mag die Lebenszeit gelegentlich versüssen. Ernste Philosophie ist Streiten im Kampf um die Anerkennung deiner als ernstzunehmender Denker. Teilnehmer grösserer Meetings wissen, wie schwer es ist, coram publico einen neuen Gedanken klar vorzustellen oder auch nur die Frage an den Referenten kurz und bündig zu formulieren. Viele wählen als Scheinlösung die allzu beliebte Frageform nach dem Verhältnis dieser oder jener Kategorie (um es boshaft zu sagen, z.B. "Frieden und Sozialismus", also ein Denken nahe des Plakativen von Losungen) oder dieses und jenes Philosophen, z.B. Frege und Wittgenstein (deshalb hier die Glosse von Hans Blumenberg über deren einzigen Treffens)
Ein Kommentarversuch zur Positionsangabe des 2004 viel zu früh verstorbenen französische Philosoph Derrida zum Thema "Liebe und Narzißmus" bietet sich an, da Derrida überraschenderweise ein "Dilemma aller Liebenden zu allen Zeiten" sehr nahe an die "Grundfrage der Philosophie" heranrückt und damit dieser Frage ("Was ist das Sein"?) eine andere Gestalt gibt.
 
in Vorbereitung:
- Was sollte eine "Einführung in die Philosophie" für Laien-Philosophen (sind wir doch alle) leisten und liegt sie vor?
- Es wäre schon viel gewonnen, wenn es für Denker wie Kant und Hegel akzeptable Einführungen gäbe. Taugt z.B. die immerhin spannende nachzulesende Vorlesungsmitschrift von Kojeve's "Einführung in Hegel" als Modell?
- Beweist das Werk des hochspezialisierten Autodidakten Wittgenstein, dass es möglich ist, als Aussenseiter Einfluss auf die Philosophie-Geschichte zu können? Hatte das nicht schon der Bauernsohn und spätere Kant-Verehrer Fichte bewiesen? Aber was machte dessen Bildungsweg in Deutschland bis zu der Möglichkeit, eine Original-Philosophie zu schaffen, aus? Könnte den jeder intelligente Mensch nachvollziehen, wenn er denn wollte?
- Eine Variante dieser Frage: es gibt "geniale Vereinfacher", einige scheinbar verständlich und faszinierend wie Kojeve, andere wie Wittgenstein durch ihre Knappheit. Vereinfachen fragt zunächst mal danach: gibt es einen kurzen Weg durch die Philosophie-Geschichte, ein allgemeinverständliches Resüme, einen gewisse Zahl von anwendbaren Grundsätzen in weniger hoch-abstrahierten Denk- oder gar Tätigkeitsbereichen?
- Den ostdeutschen Philosoph Ruben zähle ich auch zu dieser Klasse. Wer Grundpositionen Hegels an der Analyse einer einzigen Satzaussage wie "Das Blatt ist grün" klarstellen möchte, zeigt Mut und muss sich als Philosoph auf die Kritik aus den Reihen von Fachwissenschaftlern einlassen. Marx hat es als Philosoph vorgemacht. Er lieferte gegenüber den Fachökonomen (Niveau Volkswirtschaftslehre) eine verschärft kritische Sicht auf Tauschwert-Relationen der Art "1 Rock ist 3 Pfund Stiefelwichse wert". Ruben stellt das Programm auf, solche Wertausdrücke auf einfache physikalische Messrelationen zurückzuführen ( statt "ist von dem Wert" heisst es dann "ist von dem Gewicht"). Dass die Gewichtseinheit Pfund auch in Marx Wertausdruck enthalten ist, erkennt jeder leicht, aber das ist bei Marx bereits Teilaspekt der Tauschrelation. In jedem Fall spielt der Philosoph, er das Problem-vereinfachende Modell liefern will, mit dem Feuer. Er kann in den Augen der Fachwissenschaft "allen Respekt verlieren" und nur bei Laienphilosophen, "Medien" genannt, gewinnen.
- Die "allgemein-bildenden" Einsichten dieser Denker und meiner Vorbilder werde ich an dieser Stelle zusammenfassen.
Vorerst dies:
Warren Breckmann hat mich durch die englische Übersetzung meines mehr literarisch-kritischen Textes unterstützt. Es behandelt die US-Blockade gegenüber Kuba. Wie Warren sind die Vertreter der politischen Philosophie, so Slavoj Zizek, trotz ihrer ausufernden Themenvielfalt am Wirken, um das philosophische Problem moderner Politik wiederzufinden. Sie behaupten keineswegs, die einzigen Vordenker mit politischer Position zu sein. Die Klippstelle ihrer Betrachtungen besteht im vordergründigen Vorwurf der Akkomodation (der "Anpassung", bei Denkern des Hitlerreiches der "Gleichschaltung") der philosophischen Ideen an die Legitimationsinteressen politischer Apparate. Das Akkomodations-Problem wurde durch die deutschen Links-Hegelianer, incl. Marx, bei der Beurteilung von Hegels vermeintlicher Anpassung an die Interessen des Staates Preussen artikuliert.
Bernd Seestaedt
Last modified: Mon Jun 25 17:03:24 MEST 2007