Sein Name verweist auf "Scale", Balance, Gerechtigkeit, behaupten die Einen. Andere verweisen auf della Scalla, den Beinamen "der von der Treppe steigt". Selbiger war in der Tat den Herrschern Veronas seit dem 14. Jh beigegeben. Verona war immer unsere "gute" und treppenreiche Stadt. Sie gilt es nun zu verteidigen gegen die ungehobelten Hanswürste, Emporkömmlinge, denen das Geld im Beutel klingelt.
Verona ist nicht Florenz, nicht Mailand.
Den kunstliebenden Fürsten haben auch diese kennengelernt. Und doch
hat man den Dante, den Petrarca dort vertrieben.
Wer schloss den letzteren hier in die Arme? Mein Vorfahr Bartolomeo della Scalla. Er schrieb, wie der grosse Medici, Sonette, die er auch vertonte und sang.
"Was bleibet aber, stiften die Dichter", wird später Euer Hölderlin sagen. Der wusste auch, was petrarkische, leidvolle, weil unerfüllbare Liebe ist.
Master Will hat sie auch benannt: "Rosaline".
Verona heute.
Ich kenne alle die Namen meiner Heissporne, der Adels-Knäblein
meiner Stadt. Und ich weiss, was so ein Romeo leidet.
Wir kreiseln in ewiger Suche nach einem Spiegelbild, das vergessen macht den eigenen eitelen Narzißmus, mein anderes "Ich" in Frauengestalt. Mit einem Wort, passend für Schulaufsätze, "passionate love" - Liebe ohne Rückfahrschein, den "anderen" mit all seinen Zumutungen auch zu ertragen, weil er mein Spalt-Ich klebt. "Now and forever", "teenage love", der Glaube an ewige Liebe? Wir lieben immer zuerst uns selbst, den anderen solang er uns erlöst.
Unsere Körper maskieren unsere Spaltung. Zwar der schöne Körper setzt ein Glanzlicht, die Erlöserin zu finden. Denn die an ihrem Körper Zweifelnde wird kaum dazu bestimmt sein. Und wär sie es, so spräch blos wieder der Narziß in mir: an diesen äußern Spiegel meines Selbst wollt ich nicht angebunden sein. So hangeln wir dem Trugbild "Körper" allzeit nach.
Romeo, euer Werther, ist der Normalfall, die "Normalen" sind die Abweichung. Ich, Fürst von Verona, werde ihn beschützen. Ich sage es im 2. Prolog, wohlwissend, dass Verbannung droht. "Leidenschaft gibt Kraft", auch diese Trennung zu überwinden.
Nicht das Körperbegehren, sondern "le desir", der Erlösungswunsch.
Selbst das "heilige Band" der Ehe ist nichts dagegen. Das kann einem Pater Lorenzo
nicht fruchten. Der Gottesmann setzt alles auf die Karte seiner Kräuter.
Wogegen soll es gewachsen sein? Der falsche Eheschluss tilgt alles Recht auf
schon gegebenes Erlösungsversprechen.
Julia sagt im Liebesgewisper des Balkones:
Lorenzo schaut zum Kreuz und meint im so von ihm beschützten Liebesbunde der göttlichen Liebe auf die Sprünge zu helfen, die selbst noch hassverharrschte Clans versöhnt.
Mir war gleich klar, Befriedung bringt nur Läuterung durch eigenes Leiden am Verlust der Kinder. Bin ich es, der mit Todesdrohung die Lawine erst zum Rollen bringt? Nein, sie bedrohend mit dem Äussersten, versah ich Schutzfunktion dem Einzelnen, so auch den närrisch-schutzlos Liebenden. Mit Rosaline im Kopf wär Romeo im gleichen Todesstreit verfangen: gings ihm da besser, fern in Mantua? Wär ich ganz unbeteiligt in dem Hader ohne die 2 Vettern, mir als Band zu beiden Clans, gestanden? Nur auf der Strassen Frieden aufgepasst? Das gleiche Spiel wärs! Und doch benutz als Mittel ich gegen Familienkrieger dies Argument der eigenen Betroffenheit, weil ich auf Ihr Besinnen keinen Heller setz. Das tu ich bis zum Schluss, um noch die Toteneltern zu bewegen. Ich heuchle nicht, ich spiele Menschlichkeit, die auch den Fürstlichsten noch trifft, muss darin auch noch echt erscheinen.
Das Menschliche ist mir der Schutz der Liebenden, ihnen meine kleine Träne. Doch Mönche wollens besser wissen. So bleibt am End des Himmels Schuld zu nennen, der seinen Dienern falsche Fährte legt.
Ich mag ein Fürst sein, nicht so ganz von dieser Welt. Der wohl, den Master Will sich einst erwünscht?